Semler-Residenz

Anwendungsbereich: Historische Repliken

Semler-Residenz wurde in das internationale Netzwerk ICONIC HOUSES aufgenommen.

„Ein verstecktes Juwel in Pilsen“ – unter diesem Titel wurde das wichtige Kulturdenkmal Semler-Residenz in das internationalen Netzwerk ICONIC HOUSES aufgenommen, das außergewöhnliche Bauten berühmter Architekten des 20. Jahrhunderts vereint. Das einzigartige Wohnungsinterieur, von Adolf Loos entworfen und von Heinrich Kulka im Detail ausgearbeitet, ist der einzige Bau in Pilsen, bei dem das Raumplan-Prinzip zur Anwendung kommt. Die Semler-Residenz ist nun eines von bereits 12 Gebäuden in der Tschechischen Republik, die zum ICONIC HOUSES-Netzwerk gehören.  Damit steht es in einer Reihe mit Bauten wie der Villa Tugendhat in Brünn, der Müller-Villa in Prag und einem weiteren Pilsener Projekt von Adolf Loos, dem Brummel-Haus. RAKO ist ein wichtiger Bestandtteil dieser Juwelen des Bauens, sei es durch die Original-Wandbeläge oder Rekonstruktionen von wertvollen Fliesen.

Iconic Houses für internationale Architektur

Iconic Houses ist eine Stiftung, die in den Niederlanden als gemeinnützige Gesellschaft eingetragen ist. Ihr Bestand umfasst fast 190 bedeutende Gebäude des 20. Jahrhunderts in der ganzen Welt, die zumindest teilweise für die Öffentlichkeit zugänglich sind und für Besichtigungen offenstehen oder gebucht werden können. Die internationale Iconic Houses-Gemeinschaft basiert dabei auf professioneller Zusammenarbeit und einem breiten Netzwerk: Sie organisiert unter anderem länderübergreifende Konferenzen und Tagungen, wirbt aber auch für bemerkenswerte Gebäude als touristische Ziele. Hauseigentümer, seien es Privatpersonen, Stiftungen oder staatliche Institutionen, können ihre Erfahrungen mit dem Wiederaufbau, der Restaurierung und dem Betrieb ihrer Gebäude teilen. Die Semler-Residenz ist nun zu einer Ikone geworden – neben den Bauten von weltberühmten Architekten wie Frank Lloyd Wright, Le Corbusier, Antoni Gaudí, Ludwig Mies van der Rohe und vielen anderen.

„Die Semler-Residenz verdient es, in einer Reihe mit anderen ikonischen Gebäuden des 20. Jahrhunderts zu stehen. Obwohl die Realisierung in erster Linie Heinrich Kulka zu verdanken ist, kann sie als ein gewisser Höhepunkt der langjährigen Tätigkeit von Adolf Loos in Pilsen angesehen werden, das nach Wien den zweitwichtigsten Schwerpunkt seines Schaffens darstellt. Ich betrachte die Aufnahme auch als Anerkennung der Arbeit all derer, die an der Restaurierung und Renovierung des Hauses beteiligt waren, und natürlich der Westböhmischen Galerie in Pilsen, die das ganze Vorhaben organisiert hat und das Gebäude betreibt“, fügt Petr Domanický hinzu, Kurator der Ausstellungen für die Westböhmische Galerie in der Semler-Residenz und bereits seit der Planung vertraut mit der Gebäude-Restaurierung.

Semler-Residenz in der Klatovská třída (Klattauer Straße) in Pilsen

Der historische erhaltene Innenraum der Familie von Oskar und Jana Semler, erbaut in den Jahren 1933 bis 1934, ist eines der bedeutendsten Denkmäler moderner Architektur in Mitteleuropa. Er basiert auf dem Konzept von Adolf Loos aus dem Jahr 1932, das von Loos' Schüler und ehemaligem Mitarbeiter Heinrich Kulka in diesem Projekt weiterentwickelt wurde. Das Gebäude besteht nicht aus klassischen Geschossen, sondern die einzelnen Räume haben unterschiedliche Höhen und sind um eine zentrale Wohnhalle auf insgesamt sechs Ebenen konzentriert. Diese Lösung, Raumplan genannt, ist eine Fortsetzung von Loos' Konzept für die Müller-Villa in Prag.

Mit der Besetzung von Pilsen durch die Nazis im Jahr 1939 war die Familie Semler gezwungen, nach Australien zu emigrieren, wo der jüngste ihrer Söhne, Vilém (Will) Semler bis heute lebt. Die Residenz der Familie Semler diente in den nachfolgenden Jahrzehnten verschiedenen Zwecken, unter anderem als Büro, Schule und für Wohnnutzungen. Der Landkreis Pilsen erwarb das Wohnhaus im Jahr 2012 und übergab seine Verwaltung anschließend an die Westböhmische Galerie in Pilsen.

Der Wiederaufbau und die Restaurierung des Gebäudes in drei Phasen

Die Westböhmische Galerie in Pilsen verwaltet die Semler-Residenz bis heute. Unmittelbar nach der Übernahme des Gebäudes wurde mit der Ausarbeitung von Plänen für die Rekonstruktion und Restaurierung des gesamten Gebäudes begonnen, die in drei Phasen ablief. Die erste Reparaturphase begann 2013, als das Dach saniert und der Dachboden sowie die Keller isoliert, gedämmt und darüber hinaus mehrere nachträgliche Ein- und Umbauten entfernt wurden. Im Rahmen der 2. Phase sind 2015 die Flachdächer sowie die Elektro- und Haustechnik erneuert worden. Die Arbeiten umfassten die Restaurierung der am stärksten beschädigten Räume, einschließlich des Eingangsbereichs, der Garderobe und des Wintergartens im historischen Altbau. Nach diesen umfangreichen Reparaturen wurde die Semler-Residenz zwischen 2015 und 2018 im Rahmen des Projekts „Pilsen – Kulturhauptstadt Europas 2015“ bereits teilweise für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Die Jahre zwischen 2019 und 2021 bedeuteten erneut eine entscheidende Phase des Wiederaufbaus und der Restaurierung. In dieser Zeit wurde fast das gesamte Gebäude, der Innen- und Außenraum, einschließlich der Fassade und der Garagen, umfangreich instandgesetzt. Die meisten der noch heute erhaltenen Einrichtungsgegenstände aus der historischen Semler-Wohnung wurden restauriert, aber auch viele Details, die im Original nicht erhalten geblieben waren, liebevoll erneuert. Die Restauratoren führten beispielsweise die komplexe Reparatur des Fußbodens aus Makassar-Ebenholz unter anderem in der großen Wohnhalle, der Küche und im Vorbereitungsraum für die Speisen, der Zimmer des Ehepaars Semler und der Kinderzimmer oder der oberen Halle durch. Die größte Herausforderung war jedoch die Instandsetzung des achteckigen Speisesaals, der am stärksten im Gebäude betroffen war. Der Restaurator musste die stark beschädigten Mahagoniplatten komplett demontieren, die verformten Platten abflachen, jede einzelne von ihnen restaurieren und anschließend wieder an ihrem ursprünglichen Platz anbringen.

Charakteristik des Gebäudes

Das Gebäude in der Klatovská třída 110 ist in zwei Bereiche unterteilt, von denen der erste, der allein fast die Hälfte des gesamten Gebäudes einnimmt, aus der Wohnung der Familie Semler besteht. Es handelt sich hierbei um die umfangreichste Loos-Inneneinrichtung in ganz Pilsen, in der eine mehrstöckige Wohnung mit einer nahtlosen Kontinuität von Räumen mit verschiedenen Höhen, nach dem so genannten Raumplan-Prinzip, geschaffen wurde.

Im zweiten Flügel des Wohnhauses wurden ein Informationszentrum für Besucher, ein Raum für Bildungs- und Kulturprogramme, ein Depot für die 2009 eingerichtete Architektursammlung der Westböhmischen Galerie sowie Verwaltungsräume für die Westböhmische Galerie in Pilsen eingerichtet. Im Erdgeschoss ist heute das Café Semler zu finden, in dem die Besucher vor und nach Führungen sowie Kulturveranstaltungen das besondere Ambiente genießen können. Das Gebäude beherbergt auch die Forschungsstelle für Architektur. Der Landkreis Pilsen und die Stadt Pilsen erhalten damit ein neues touristischen Ziels von europäischer Bedeutung, das Besucher aus der Tschechischen Republik und dem Ausland anziehen wird.

Die RAKO Fliesen sind bis heute im Einsatz

Das ursprüngliche Badezimmer, dessen Keramikfliesen in der Keramikfabrik von RAKO in Rakovník hergestellt wurden, ist im Haus erhalten geblieben. Weiße Fliesen im Format 15 x 15 cm mit einer oder zwei abgeschrägten Kanten werden durch graue Fliesen von 15 x 15 cm auf dem Boden ergänzt. Aufgrund der mehr als neun Jahrzehnte, die seit der Errichtung der Semler-Residenz vergangen sind und vieler turbulenter Ereignisse nach 1945, gibt es nur noch wenige Unternehmen, die ähnliche Produkte oder identische Repliken aus ihrem Standardsortiment liefern können. Bei der Rekonstruktion der Semler-Residenz hat die SILBA-Elstav, s. r. o., Hauptauftragnehmer des Bauvorhabens, die gleichen RAKO-Keramikfliesen der Serien Color One, Color Two und Taurus Color wie vor über 90 Jahren verwendet. Dank der langen Tradition der Marke RAKO, die heute zur Lasselberger Group gehört, war es möglich, fehlende oder beschädigte Keramikfliesen an Wänden und Böden in einigen Räumen der Residenz zu ersetzen. 

Ausstellung „Die dreidimensionale Geschichte von Adolf Loos und Heinrich Kulka“ sowie Besichtigungsrundgänge vor Ort

Autor der Ausstellungen in der Residenz und geführter Rundgänge ist der Architekt Petr Domanický, Kurator der Architektur-Teilsammlung der Westböhmischen Galerie. Seine Absicht war es nicht nur, dass die liebevoll restaurierte Wohnung als einzigartiges architektonisches Denkmal der 1930er Jahre zu präsentieren, sondern auch die Geschichte der Familie Semler zu beleuchten. Er recherchierte sehr sorgfältig in den erhaltenen Plänen und zeitgenössischen Fotografien aus tschechischen und ausländischen Archiven. Außerdem hatte er die einmalige Gelegenheit, über Grundriss und Leben im Haus Semler direkt mit Vilém (Will) Semler, dem jüngsten Sohn von Oskar und Jana Semler, zu sprechen, der sich an viele Details erinnern konnte. Dank der sorgfältigen Arbeit von Petr Domanický hat ein großer Teil des Innenraums seine Ursprünglichkeit zurückerhalten.